Politik

"Schlag ins Gesicht" Stuttgarter "Querdenken"-Demo hat Nachspiel

Die Polizei sah am Samstag trotz offensichtlicher Verstöße gegen die Corona-Auflagen größtenteils zu.

Die Polizei sah am Samstag trotz offensichtlicher Verstöße gegen die Corona-Auflagen größtenteils zu.

(Foto: imago images/Leonhard Simon)

Der Unmut über den aus dem Ruder gelaufenen "Querdenken"-Protest in Stuttgart wächst. Neben der Landesregierung übt auch die Polizeigewerkschaft scharfe Kritik. Letztere prangert an, die Verwaltung habe sich um eine Entscheidung gedrückt und der Polizei "den Mist vor die Füße gekippt".

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha will alles dafür tun, dass sich Demonstrationen wie am Samstag in Stuttgart mit Tausenden ohne Maske und Abstand nicht wiederholen. "Das, was gestern passiert ist, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich an die Pandemieregeln halten. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Gefährdung und dazu geeignet, die dritte Corona-Welle zu befördern", sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. Den Demonstranten sei es nicht um Freiheitsrechte gegangen, sondern darum, die demokratische Grundordnung zu stören. In der kommenden Woche werde es Gespräche mit der Stadt geben. "Wir werden die Situation analysieren", kündigte Lucha an.

Seiner Ansicht nach gibt die derzeit gültige Corona-Verordnung des Landes ein Verbot solcher Massenversammlungen her. Deshalb halte er eine Anpassung der Corona-Verordnung für nicht nötig. Dies hatte Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Clemens Maier ins Spiel gebracht. Man werde sich mit der Landesregierung beraten, inwieweit die Corona-Verordnung nach den Erfahrungen in Sachen Versammlungen angepasst werde, sagte Maier am Samstag.

Tausende Menschen - größtenteils ohne Masken und Abstand - hatten nach Angaben der Polizei am Karsamstag in Stuttgart bei einer Kundgebung der "Querdenken"-Bewegung gegen die Corona-Politik demonstriert. Hunderte Beamte waren im Einsatz, schritten wegen der Verstöße gegen die Corona-Regeln aber kaum ein. Das rief viel Empörung hervor - ebenso wie Angriffe auf Journalisten.

Nach den ausufernden Demonstrationen kritisierte die Deutsche Polizeigewerkschaft die Stadt scharf. "Das versteht keiner - auch wir nicht. Während in anderen Teilen des Landes die Versammlungsbehörden und die Polizei hart und konsequent reagieren und agieren, scheint es so, dass in Stuttgart alles möglich ist", sagte Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Wenn sich durch die Ereignisse die Infektionszahlen erhöhten, schade das der gesamten Bevölkerung.

"Wir können die Stadt nicht abriegeln"

Solche Demonstrationen könnten verboten werden, sagte Kusterer. "Friedlich und ohne Waffen heißt in Pandemiezeiten mit Abstand und mit Maske. Wer sich daran nicht hält, verhält sich asozial und macht sich strafbar." Die Zuständigkeit für ein Verbot liege bei der Stadt, die Polizei werde aber kritisiert, weil sie nicht eingeschritten sei. "Offensichtlich scheint es ein Missverständnis zu geben, wenn die Stuttgarter Stadtverwaltung und damit die Versammlungsbehörde sich um klare Entscheidungen drückt und der Polizei dann den Mist vor die Füße kippt."

Die Polizei muss laut Kusterer in die Lage versetzt werden, konsequent einschreiten zu können, wenn die Versammlungsbehörde wie in Stuttgart patze. "Hier erwarte ich Vorarbeiten und Vorgaben des Innenministeriums, klare gesetzliche Regelungen der Landesregierung und den klaren politischen Rückhalt. Dabei darf es auch keine Rolle spielen, ob es sich um Querdenker, Rechte, Linke, Umweltschützer oder den Deutschen Gewerkschaftsbund handelt." Wer in solchen Zeiten das Recht auf Meinungsfreiheit einfordere und die Versammlungsfreiheit in Anspruch nehme, habe nicht das Recht, die Gesundheit und das Leben anderer zu gefährden.

Trotz dieser heftigen Kritik verteidigte die Stadt Stuttgart auch am Sonntagvormittag ihre Strategie. "Ich glaube, wir haben das Beste daraus gemacht", sagte Ordnungsbürgermeister Maier. Bei den Demonstrationszügen, die sich zur zentralen Kundgebung der "Querdenken"-Bewegung auf den Cannstatter Wasen aufgemacht hätten, seien am Schluss 15.000 Teilnehmer gezählt worden. "Wenn die Polizei die Versammlung auf Geheiß der Versammlungsbehörde aufgelöst hätte, hätte sie versuchen müssen, 15.000 Menschen nach Hause zu schicken." Diese wären aber nicht freiwillig gegangen. Die Polizei hätte massiv Gewalt einsetzen müssen. All das sei durchgespielt worden in Gesprächen mit der Polizei. "Wir können die Stadt nicht abriegeln."

Die Frage, die sich die Politiker stellen müssten, sei, warum Menschen keine Masken tragen wollten, sagte Maier. "Warum erreicht die Politik Teile der Gesellschaft nicht? Das ist das eigentliche Problem", betonte der Ordnungsbürgermeister. Insgesamt waren am Samstag mehr als 1000 Polizisten im Einsatz. Zwei Wasserwerfer standen laut Maier bereit. Die baden-württembergischen Beamten wurden unterstützt von der Bundespolizei sowie von Polizisten aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen.

Quelle: ntv.de, fzö/dpa

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